Über 80 Jahre Vereinsgeschichte - kurz dargestellt
Margarete Garve

 

Ein Jahr nach dem Zusammenbruch des letzten Krieges waren Schüler und Lehrer der Alten Landesschule glücklich, in das durch den Krieg zweckentfremdete Gebäude in der Klosterstraße, welches über 350 Jahre Korbacher und auswärtige Gymnasiasten beherbergt hatte, zurückkehren zu können, sich morgens um drei Viertel acht Uhr wieder vom Klosterglöckchen zum Unterricht rufen zu lassen. Dieses Klosterglöckchen war über die Jahrhunderte bei den Schülern beliebt, war es doch neben seiner regulären Funktion immer wieder Anlass zu Streichen,
Alle waren nun froh, dass der Schulbetrieb unter dem reformfreudigen Leiter Dr. Ehrentreich wieder in geordneten Bahnen verlief. Die folgende Zeit stand im Zeichen des Wiederaufbaus. Die hohen Kriegsverluste besonders an jungen Menschen, der Flüchtlingsstrom aus dem Osten und vor allem das schnelle Wirtschaftswachstum bewirkten einen immer höheren Bedarf an akademisch gebildeten Arbeitskräften:
“Wir brauchen Abiturienten!” Der Ruf wurde aufgegriffen, und so setzte ein ständig wachsender Zustrom zu den Gymnasien ein. Bauten 1949 in Korbach noch 19 Schüler ihr Abitur, so waren es 10 Jahre später 65, das Jahr 1968 sah 103 Abiturienten, und diese Zahl steigerte sich im Jahre 1972 auf 135; Spitze war jedoch das Jahr 1985, als die Alte Landesschule 160 Absolventen mit dem Reifezeugnls entließ. In den 70er und 80er Jahren gab es einige Male mehr Abiturienten pro Jahr, als das Gymnasium um 1900 Schüler hatte. Inzwischen hat sich die Zahl der jährlichen Abiturienten auf 90 bis 100 reduziert.
Das Anwachsen der Schülerzahl, welches Ende der 50er Jahre einsetzte - Dr. Ehrentreich sprach damals von einer Schülerexplosion - hatte eine bedrückende Raumnot zur Folge. Im nächsten Jahrzehnt versuchte man das Problem mit einem Anbau an die Klosterschule zu lösen, aber bald waren Gebäude und Klassen wieder überfüllt. So plante man einen Schulneubau auf einem großen Gelände am Stadtrand, der 1971 fertiggestellt und im Oktober desselben Jahres Schülern und Lehrern der Alten Landesschule feierlich übergeben wurde.
Bis zu diesem Zeitpunkt war die Erinnerung eines ehemaligen Korbacher Gymnasiasten mit der alten Klosterschule verbunden. Die Anhänglichkeit an das alte Gemäuer und der Wunsch, mit den ehemaligen Schülern und Lehrern in Verbindung zu bleiben, hatten Ende des 19. Jahrhunderts aus Korbach stammende Marburger Studenten dazu bewogen, sich zusammenzuschließen und einen Verein zu gründen. Alle 5 Jahre sollte in Korbach eine Wiedersehensfeier mit offiziellem und geselligem Programm stattfinden. Die in Korbach und Umgebung wohnenden Ehemaligen trafen sich jeden ersten Montagabend im Monat im Gasthaus Zur Waage. Bis 1931 hatte der Verein etwa 300 Mitglieder mit steigender Tendenz. Zur Aufrechterhaltung der Kommunikation wurde 1928 ein Nachrichtenblatt gegründet. Wie im Geleitwort der ersten Ausgabe vom April 1928 zu lesen stand; wurde die Zeitung “Klosterglöckchen” genannt:

 

 Und wie es die fröhliche Jugend
zur Schule ruft gestern und heut,
so haben wir diese Blätter
als Ruf in die Lande verstreut.
...
Sie laden des Klosters Getreuen
zur Feier der Jugend jetzund.
Sie rufen: “Ihr Alten und Neuen,
kommt alle in unseren Bund.”

 

So kam also die (mit kurzer Unterbrechung) nunmehr über 70 Jahre erscheinende Zeitung der ehemaligen Korbacher Gymnasiasten zu ihrem Namen, den sie heute noch trägt.
Im Laufe der nächsten Jahrzehnte folgten viele ehemalige Schüler dem Aufruf. Es war in den ersten Jahren üblich, dass eine Abiturklasse nach bestandener Prüfung geschlossen in den Verein eintrat. Der Krieg brachte wie Vieles andere auch das Vereinsleben der Ehemaligen zum Stillstand. Im Jahre 1942 waren die Titelseiten des Klosterglöckchens mit den Namen der gefallenen früheren Schüler gefüllt. Zu Weihnachten desselben Jahres wurde das vorerst letzte Heft herausgegeben. Als Nächstes findet sich in der Sammelmappe ein zweiseitiger Schreibmaschinenabzug mit der Überschrift Klosterglöckchen Dezember 1948". Seine ersten Worte lauteten: “Das Klosterglöckchen soll wieder läuten.” Nach Erteilung der Genehmigung durch die Militärregierung konnte ein neuer Anfang gemacht werden. Das erste Wiedersehenstreffen musste der großen Teilnehmerzahl wegen in der Stadthalle stattfinden, das gesamte Lehrerkollegium und viele (auch junge) ehemalige Schüler waren gekommen. Am 1. Dezember 1948 fand auch die Einweihungsfeier des fünften Klosterglöckchens statt.
Als das Glöckchen bei der Einweihungsfeier 1948 zum ersten Mal erklang, fielen auch die großen Schwestern der Korbacher Kirchen in das Geläute ein. Es war nicht nur ein Schulereignis, sondern die ganze Stadt nahm daran Anteil.
Der Verein war zu neuem Leben erwacht. Im Jahre 1957 wurde eine Mitgliederzahl von 526 angegeben, in den 60er Jahren kamen 133 Vereinseintritte hinzu. Ende 1971 jedoch sank die Mitgliederzahl sturzartig ab; in den nächsten zwanzig Jahren waren insgesamt nur 62 Zugänge zu verzeichnen. Auffallend (und erklärlich) ist, dass dieser Prozess genau zum Zeitpunkt des Umzugs in das neue Schulgebäude einsetzte. Die Klosterschule und das Klosterglöckchen sagen verständlicherweise der neuen Schülergeneration nichts mehr, und die Bildung eines neuen Traditionsbewusstseins braucht Zeit, zumal in einem versachlichten Schulgebäude mit mehr als 1000 Schülern. Eine Tradition hat sich wohl in die neue Zeit hinübergerettet: das Schmücken des Wappentieres vor der Hirschapotheke nach bestandenem Abitur.
Vor Vier Jahren kam mir ein Gedicht aus der Schülerzeitung “Locus” in die Hände. Der Titel ist “Ungereimtheit der ALS”, unterzeichnet mit “Euer Schulphantom”. Der Verfasser schreibt darin: “Als die Alte Landesschule nach wohl vielen hundert Jahren nicht genügend Platz mehr bot, fasste man den kühnen Plan, draußen, am Stadtrand, im freien Feld, einen Neubau zu errichten, an die Solinger Strasse hingestellt.”
“Die Moderne muss in Korbach einziehen!” sagte sich der Architekt: “Grau in Grau, très à la mode - Stahlbeton emporgereckt. Der Verfasser beklagt gravierende Baumängel und stellt die Frage: “Kein Platz für Identität und Tradition? Ein stolz gewachsener Baum entwurzelt? Schüler und Lehrer - voller Hohn.” Aber nun folgt nach allem Negativen ein versöhnlicher Gedanke: “Doch aller Widrigkeit zum Trotz. Es regt sich Leben in dem Klotz! Denn Schüler füllen den Bau mit Leben, Lehrer prägen Sinn und Stil. Der Schulbetrieb spinnt neue Mythen, und jeder Jahrgang bewegt viel. Damit die umgetopfte Pflanze immer neue (Stil) Blüten treibe: Ideen verwirklichen - Macht Schule Frei? - Initiative wecken, ergreifen, aufnehmen, - am Innenleben bauen; Seid alle dabei!”
Diese Worte machen Mut zu hoffen, dass ein neues Identitätsbewusstsein im Wachsen ist. Was die Worte des Schülers nach meiner Meinung als das Entscheidende herausstellen, ist der GEIST, der in den Mauern herrscht, ob sie alt oder neu sind. Und dieser Geist, der auch Toleranz implizieren sollte, ist es, der die Verbindung zwischen den jetzigen und den ehemaligen Schülern schaffen kann. Eine gute (und fortführenswerte) Tradition in unserem Verein, wie wir immer wieder aus Leserzuschriften erfahren, ist die große Anteilnahme an Ereignissen und Aktivitäten in der ALS. Ein schöner Brauch seitens der Schule ist es, jedes Jahr zu den Abiturfeiern Jubiläumsabiturienten einzuladen. Auch wenn ein Großteil von ihnen ihr Abitur noch in der Klosterstraße gemacht hat, war bei dieser Gelegenheit neben der Freude über das Wiedersehen mit den alten Schulkameraden auch das Gefühl der Verbundenheit mit dem jetzigen Gymnasium von ihren Gesichtern abzulesen. Ebenfalls erwähnenswert vonseiten der Ehemaligen ist die Bereitschaft, Schüleraktivitäten (Gruppenfahren) finanziell zu unterstützen sowie bei der Finanzierung von Lehrmitteln behilflich zu sein, nicht zu vergessen die Unterstützung der Bibliothek. Es wäre schade, wenn diese traditionellen Verbindungen zwischen Schule und Ehemaligen im Interesse künftiger Schülergenerationen aus Mangel an Nachwuchs im Verein zum Erliegen kämen. Hoffnung macht uns die Tatsache, dass trotz pessimistischer Prognosen offenbar die Talsohle durchschritten ist und in den neunziger Jahren 180 ehemalige Schüler der Alten Landesschule den Weg zu uns gefunden haben.

 

Korbach erhält ein Gymnasium 
Margarete Garve


Die Erweiterung des Weltbildes durch Renaissance und Humanismus, die Wiederentdeckung der Antike, die wissenschaftlichen Entdeckungen und die Teilhabe daran erforderten eine entsprechende Ausbildung, Schon im Mittelalter hatte der Besuch einer Hochschule als etwas Besonderes gegolten - im 13. Jahrhundert studierte ein junger Korbacher aus der adligen Familie “Von Berndorf” in Bologna, der ersten europäischen Universität. Im 14. Jahrhundert gab es schon sieben Korbacher Studenten, sechs von ihnen studierten in Erfurt, einer in Köln. Im 15. Jahrhundert waren es bereits über hundert, die in Erfurt, Köln, Heidelberg, Prag, Leipzig und Bologna studierten. Später kamen Marburg und Wittenberg als Universitätsstädte hinzu. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts gingen die Zahlen zurück. Die Ursachen werden im geistigen und sittlichen Verfall sowie dem wirtschaftlichen Niedergang dieser Epoche gesehen. Ein starker zahlenmäßiger Aufschwung erfolgte nach Einführung der Reformation. Von 1545 bis 1600 studierten 76 Korbacher an verschiedenen Universitäten. Das aufsteigende Bürgertum zeigte zunehmendes Interesse an Allgemeinbildung, an wissenschaftlichen Fragen und Kunst sowie den humanistischen Bestrebungen der damaligen Zeit. Voraussetzung für das Studium der wieder entdeckten Schriften griechischer und römischer Philosophen und Gelehrten der Antike war die Kenntnis der alten Sprachen. So war die Gründung eines Gymnasiums von Seiten des Korbacher Bürgertums von großem Interesse. Zwar hatte Korbach bereits eine (einklassige) Stadtschule, in der die Korbacher Bürgersöhne die Anfangsgründe von Lesen, Schreiben, Rechnen und Singen von zwei Lehrern vermittelt bekamen. In dieser Zeit war wohl auch noch Latein hinzugekommen.

Nach Herausgabe der ersten protestantischen Schulordnung im Jahre 1528 durch Philipp Melanchthon ließen es sich auch die Waldecker Grafen angelegen sein, bei der Einführung der Reformation in \Waldeck das Schulwesen zu reformieren. Graf Wolrad der Gelehrte, dem die Bildung sehr am Herzen lag, ordnete 1571 an, dass neben den Elementarfächern auch Lateinisch, Griechisch und Hebräisch gelehrt werden sollten. Die Korbacher Stadtschule sollte im Sinne einer humanistischen Gelehrtenschule als Vorbereitung zum Hochschulstudium ausgebaut werden. Nach der Vertreibung der letzten Franziskanermönche bot sich als neuer Schulstandort das verlassene Kloster an, und so begannen in den siebziger Jahren des 16. Jahrhunderts die Gründungsverhandlungen. Es galt zunächst, die Unterhaltung zu sichern, und zwar sollte dies aus den Einkünften des Klosters Berich geschehen, aus denen auch die fünf Präzeptores (Lehrer), der Rektor und ein Konrektor besoldet werden sollten. Das Rektorengehalt betrug 60 Gulden, 30 Viertel Korn, 10 Viertel Hafer, 30 Hühner und 4 Gänse, dazu kam ein jährlicher Zuschuss der Stadt Korbach von 40 Gulden.

Nach der Ablehnung von drei angeschriebenen Pädagogen in den Jahren 1577/78, an dem sich im Aufbau befindlichen Korbacher Gymnasium Schulleiter zu werden, nahm Magister Lazarus Schoner aus Neustadt in Franken - eine Zeitlang Philosophieprofessor in Marburg - den Ruf an und traf am 1. Juli 1578 in Korbach ein. Er war ein Gelehrter von bedeutendem Ruf und hatte zahlreiche philosophische und mathematische Schriften verfasst. Zwischen der Universität Marburg und dem Korbacher Gymnasium bestand damals eine enge Wechselbeziehung. Eine einberufene Konferenz, bestehend aus drei gräflichen Räten und dem Rektor, verabschiedete eine Dispositio Lectionum, welche die Einrichtung von acht Gymnasialklassen beschloss. Der Rektor war gehalten, jedes Jahr die Lectiones (Schulprogramme) zu veröffentlichen. Konrektor wurde der Hugenotte Bernhard Salignac aus Bordeaux, bis dahin Lizentiat der Rechte und Mathematiker an der Marburger Universität. Als Lehrer stellte man Magister Justus Langmann aus Kaufungen, Magister Nicolaus Theodoretus aus Waldau/Niederhessen, Magister Konrad Walther aus Korbach und Johannes Nicolai aus Mengeringhausen ein, etwas später kamen Engelbert Vierordt und Balthasar Gerlach hinzu. Die feierliche Eröffnung im Beisein zweier waldeckischer Grafen fand am 7. Mai 1579 statt. Graf Wolrad der Gelehrte, Initiator der Gymnasialgründung, erlebte diesen Tag nicht mehr. Er starb ein Jahr zuvor und wurde in der Korbacher Kilianskirche beigesetzt.

Am 7. Mai 1579 begann die Eröffnungsfeier des Gymnasiums mit einem Gottesdienst in der Kilianskirche, danach formierte sich ein Zug, voran die Schüler unter Führung ihrer Lehrer und begleitet von einer Musikkapelle, gefolgt vom Grafen Wolrad III. und dem Rektor, den gräflichen Räten aus Arolsen, dem Rat und den Bürgern der Stadt Korbach. Der Zug bewegte sich über die Stechbahn am Rathaus vorbei nach dem alten Kloster. Ein Schülerchor leitete die Feier ein, der gräfliche Rat Werner Crispinus hielt die Eröffnungsrede, deren Druck erhalten geblieben ist.

Das alte Kloster, in dem die neu gegründete Schule untergebracht war, war zu jener Zeit baufällig. Es musste renoviert und mit neuen Türen versehen werden. 1581 wurde in dem kleinen Türmchen auf dem Dach ein Glöckchen aufgehängt, welches eine Viertelstunde vor Schulbeginn die Schüler zum Unterricht rufen sollte. Der Unterrichtsbeginn im neu gegründeten Gymnasium vor 420 Jahren war im Sommer um sechs und im Winter um sieben Uhr. Die Unterrichtsfächer waren Lateinisch, Griechisch, Hebräisch, ferner Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Musik, die theoretischen Grundlagen der Fakultäten, Physik, Ethik und Staatslehre, Astronomie und Mechanik, Religion, Stil und Dichten, Deklamieren und Diskutieren über ethische und naturwissenschaftliche Fragen. Das System war achtklassig, von Sexta bis Oberprima, stufenmäßiger Aufbau des Unterrichts, Prüfungen und Versetzungen. Das Schwergewicht lag auf Latein. Von der Tertia ab fanden öffentliche Disputationen und Deklamationen statt. Viermal im Jahr wurden Klassenprüfungen abgehalten, nach denen hinterher ein Fest gefeiert und Laienspiele aufgeführt wurden. Die Schüler gründeten Spielgemeinschaften und studierten Komödien und Tragödien klassischer Schriftsteller ein, die sie öffentlich aufführten. Diese Tradition hat sich bis zum 2. Weltkrieg erhalten. 1578 wurden im Rahmen einer Schulordnung Disziplinargesetze gegeben: Der Rektor durfte mit dem Stock strafen, die Lehrer nur mit der Rute; die Schüler der Oberstufe wurden mit Geldstrafen belegt. Als 1589 der zweite Rektor neue Schulgesetze einführte, gab es seitens der Schüler Protestveranstaltungen, bei denen der Ruf nach Freiheit ertönte, das Schulgefängnis, der Karzer, aufgebrochen und die einsitzenden Schüler befreit wurden. 1612 wehrten sich die Quartaner gegen die Rutenstreiche eines Lehrers, da die Prügelstrafe in den westfälischen Städten Dortmund und Lemgo nicht üblich sei. Der betreffende Lehrer nahm seinen Abschied. Die Stadt Korbach behielt sich bei der Einstellung von Lehrern das Vetorecht vor, die Eltern waren daran interessiert, wer ihre Kinder unterrichtete.

Am Korbacher Gymnasium unterrichteten in seiner Frühzeit bedeutende Gelehrte und Pädagogen. Die zahlreichen erhaltenen Schulprogramme zeugen von hohem Niveau und umfassendem Wissen, das hier vermittelt wurde. Neben dem bereits erwähnten Rektor Schoner und seinem Konrektor Bernhard Salignac, der u. a. eine griechische Schulgrammatik herausgab, gab es weitere hervorragende Lehrer. In diesem Zusammenhang erwähnenswert ist der 1550 in Marburg geborene Dr. Wilhelm Scribonius (Schreiber), der an der Marburger Uni zum Doktor der Medizin promoviert hatte. 1581 wurde er nach Korbach berufen und wirkte am Gymnasium bis zu seinem Tode als Lehrer der Tertia. Daneben übte er eine medizinische Praxis aus. Er hat zahlreiche medizinische, philosophische, naturwissenschaftliche und theologische Schriften verfasst. Ein weiteres Beispiel ist der 1589 in Grünberg bei Gießen geborene Stephanus Ritter. In seinem pädagogischen Hauptwerk, “Nova didactica” äußert er Gedanken, die heute noch gültig sind. Er wandte sich gegen mechanisches Auswendiglernen, betonte die Forderung des Denkens, Anschauung und Erfahrung sollten die Grundlage des Unterrichts sein, Deutsch als Unterrichtssprache. Sein Interesse galt den vergleichenden Sprachstudien. Dr. Ritter und seine Famille starben 1636 an der Pest. Nicht verschwiegen werden soll die Tatsache, dass die ersten Jahrzehnte des Korbacher Gymnasiums keineswegs von Frieden und Einigkeit bestimmt waren. Bedeutete die Reformation im Lande schon eine Spaltung in Glaubensfragen, so kam es innerhalb der neuen Lehre bald zu unterschiedlichen Auffassungen, die sich zu schweren Konflikten vor allem zwischen Lutheranern und Kalvinisten ausweiteten.

Diese Streitigkeiten machten auch nicht vor den Schultoren Halt. So verließ der erste Rektor des Korbacher Gymnasiums, Lazarus Schoner, nach erbitterten Kämpfen unsere Stadt schon nach siebenjähriger Tätigkeit. Weitere Pädagogen wurden aus den gleichen Gründen entlassen oder gingen freiwillig. Im Land wüteten in der Folgezeit furchtbare Pestepidemien, der Dreißigjährige Krieg verwüstete das Land, verheerende Stadtbrände gaben den Rest; vom allgemeinen Wohlstand war nichts mehr übrig. Aberglauben und Hexenwahn blühten und verbreiteten Angst und Schrecken. All dieses zeitigte Rückwirkungen auf das geistige Leben und bedeutete Rückschritt auch in der Schule. Nach dem Dreißigjährigen Krieg war die Schülerzahl zusammengeschrumpft, zumal auch die auswärtigen Schüler ausblieben. Die obersten Klassen wurden abgebaut - die Schüler gingen aus der Tertia ab, und der Lehrplan wurde eingeschränkt. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Lehrer waren denkbar schlecht, so dass sie vielfach auf Nebeneinnahmen angewiesen waren.

Erst gegen Mitte des 18. Jahrhunderts nahm der Lehrbetrieb wieder einen gewissen Aufschwung. Das Schulgebäude, vom Verfall bedroht, musste durch einen Neubau ersetzt werden, der 1773 eingeweiht wurde. Mit dem Einzug in das neue Gebäude zog auch ein neuer Geist in das Korbacher Gymnasium ein. Befreit von absolutistischer Bevormundung galt es, ein neues Menschenbild zu formen: das weltoffene, universal gebildete, selbstverantwortliche Individuum.

Bibliographie:
Wolfgang Medding, Korbach, die Geschichte einer deutschen Stadt, 1988.

Login Form